Kickoff mit Handballgeschmack
- Georges Sittener
- 12. Apr. 2022
- 6 Min. Lesezeit
Mit knapp besetztem Kader reiste die erste Formation von Olympique Winterthur zum Saisonstart ins Heimstadion von und zu Wallrüti. Mit einem knackigen Gegner wie den Salzhäusern aus Winterthur wussten alle Beteiligten, dass es bereits in den Kinderschuhen der Saison 2022 um die Wurst gehen würde. Olympique Winterthur versuchte alles und dominierte über viele Stationen, kam jedoch nicht über ein 1:1 hinaus.

Ein Saisonstart sieht in den Träumen der Spielerköpfe immer in etwa gleich aus: Einsteigen in den Teambus, Kopfhörer auf, Kampfsongs anhören, aussteigen, ins obergeilste Dress schlüpfen, eventuell einwärmen, allenfalls dehnen (wenn die Zeit ausreicht), auflaufen, 18 Tore schiessen und 34 zu null gewinnen. Danach duschen und SMS-Gratulationen von Murat Yakin und Pep Guardiola entgegen nehmen.
Leider sieht die Realität bei OW zum Kickoff in die neue Meisterschaft etwas anders aus. Zum einen schoss man nicht einmal über die Dauer von zwei Saisons 34 Tore, zum andern haben Muri und Pep unsere Nummern seit dem Abowechsel zu Sunrise eh gelöscht. Ist man Olymper, reist man also an diesem sonnigen Montagabend Anfang April mit dem eigenen Wagen an. Danach ein erster Höhepunkt des Abends: Man zieht sich die neuen Stöffe über und grinst einmal über beide Ohren. Dann gehts ans einw... moment. Da gibts ja noch ein Problem! Der Rasen auf Wallrüti ist nahezu unbespielbar. Nach einigen Anrufen die Bestätigung: Leider ging unser Platzwart unverhofft ein paar Tage ins Gärtner-Camp nach Mallorca und überliess seine Rasenmäheraufgaben einem Roboter. Dieser tat was er dann halt nicht so gut konnte und mähte sehr ungenau das Grün in Oberwinterthur. Kein Grund zur Panik sagte sich unser Präsi und legte gleich selber Hand an. Kurzerhand den Rasenmäher aus dem Gartenhüsli geholt zog der ULI einige Runden auf dem Platz und machte zumindest die wenigen Quadratmeter um die Eckfahne in englischer Qualität.
Zurück aber zur Matchvorbereitung. Da nun eigentlich alles getan war, um die Saison mit Schmackes zu starten, wartete nur noch die kurze mentale Vorbereitung im Mannschaftsraum. Tagsüber als Materiallagerraum genutzt, verwandelt sich das nach Benzin riechende, schlecht beleuchtete Loch in eine Motivationshöhle für die OW-Akteure.
Los gehts also auf Wallrüti. Anpfiff um exakt 19:30:00 Uhr durch Schiri Gjukai, welcher heute ebenfalls richtig süttig zu sein scheinte. Die Olympique tritt mit stark umgebautem Kader im altehrwürdigen 4-4-2 auf und muss viele Startelfneulinge in den Krieg schicken. Im Tor und in der Abwehr blieb beinahe alles unverändert. Sobald man aber in Richtung Mitte und Offensive schaut, muss man sich des Matchblattes behelfen, weil da doch der eine oder andere Name auflief, welchen man normalerweise nicht vor der 75. Minute erwartete.

Mit den bekannten Abwehrgöttern von letzter Saison um den Büffel, Sikinho und Pio, wurde die Kette durch den ewig junggebliebenen Andi "Blutgrätschenmessias" Meier ergänzt. Die Mitte trat offensiv orientiert und mit nahezu null Abwehrfreude auf den Platz. Nach vorne coachte der ULI seit gefühlten 56 Jahren wieder einmal einen Doppelsturm. Na das kann ja heiter werden! Erstes Spiel und bereits alles anders als gewohnt. Egal, legen wir endlich los mit der Berichterstattung!
Anpfiff vom Schidsi und Olympique reisst das Spieldiktat schnell an sich. Mit dem Kurzpassspiel, das an Pep's Barcelona von 2011 erinnerte und der Laufbereitschaft von Simon Amman war OW in der Favoritenrolle genehm. Man spielte Pässe so süss wie die Zuckerwatte auf dem Andelfinger Jahrmarkt. Es schien alles in die richtige Richtung zu gehen. Bis zur 5. Minute. Ballbesitz FC Salzhaus. Ein kühner Salzhaus Vorstoss über die rechte Flanke von OW. Manolo auf Höhe des gegnerischen Sechzehners läuft gerade seinen zuvor angezogenen Sprint aus, um eine Zerrung zu vermeiden und Andi "BGM" Meier wird mit einem Hackentrick ausgespielt. Ein offenes Scheunentor diese rechte Seite also. Die Salzigen dreschen den Ball zur Mitte, so dass OW-Fan und Firmenliga-Sympathisant Georges Brégy das Wasser in die Augen läuft. Eigentlich eine ungefährliche Situation aus Sicht der OW-Abwehr. Um es aber schon von Beginn weg spannend zu machen, fliegt unser Ände mit gestreckten Armen in Richtung Kopfball. Er trifft den Ball gekonnt und pflückt ihn aus der Luft herunter. Blöd nur, dass nie eine Berührung mit seinem Näggel stattfand. Stattdessen flog die Pille wie von einem Magnet angezogen an die Pfote unseres Linkshinten und verursachte den ersten Schocker - Penalty!
Die Coolness von Andrea Pirlo und den Wumms von Adriano zu seinen besten Inter Milan Zeiten verwandelte der FC Salzhaus das Angebot dankend zum 0:1. OW hing bereits in den Seilen. Von den Rängen schallten erste Buhrufe und "dä hetsch chöne haa Goali". Hätte er? Ja wäre unser Barthez mehr im Training gewesen, hätte er womöglich die Ecke gerochen. Ein Dank an dieser Stelle, dass Mikaël am Match aber trotz der Ferienabwesenheit in den vorhergehenden drei Trainings auftauchte!
Zurück zum Spiel. Mental war man bei OW natürlich nun gefordert. Letzte Saison konnte man immer komfortabel aus der Führungsposition das Leder umherginggen. Nun war man gefordert. Der Coach stellte seine Elf um und gab das altbekannte 4-1-4-1 bekannt. Die Mitte neu gestärkt half den weiss-bunten das Spieldiktat wieder an sich zu reissen. Dann aber der zweite Schocker. In der 18. Minute wird unser viel zu offensiver Zentraler Weinbauer Sämel von hinten mit gestreckten Beinen zu Boden gemäht. Ein Aufschrei der bis in die Räume des Altersheimes rüber hallte, liess den Atem der Fans stocken. Nicht unser Sämel, der sich doch so tapfer zurück auf den Platz kämpfte und sogar extra joggen ging, um mehr als 5 Minuten spielen zu können. Es folgte eine entmutigende Auswechslung und eine noch ernüchternde Diagnose aus dem Notfall des KSW: Knöchelbruch und vorzeitiger Abbruch seiner Saison. Eine Rückkehr dürfte für Sämel erst auf den Cupfinal realistisch sein. Olympique dominierte nun mit einem noch zusammengewürfelteren Mittelfeld um Dario, J.T. Haan und Manolo etwas weniger. Der Ballbesitz war aber trotzdem noch viel in den Händen von OW. Traurig nur, dass viel zu wenige Chancen daraus resultierten. Knapp vor Abpfiff der 1. Hälfte fasste sich der eingewechselte Rafford auf dem rechten Flügen ein Herz. Mutig kämpfte sich der Rückkehrer nach vorne. Hier ein Tunnel, dort ein fieser Ellbogen und dann der Wumms. Tief und in die Ecke - wie im Training gelernt. Ein dumpfer Knall der Umrandung: Pfostenschuss! Olympique drückte und drückte. Ein Ausgleichstreffer lag mehr in der Luft als die Verdauungsfürze von Joni an diesem Abend. Höllische Stimmung auf Wallrüti und das nicht nur wegen des Gestankes. Der Schidsi pfeifft zur Halbzeitpause.
Mit neuer Stärke und noch mehr Motivation als zu Beginn war OW auch zum Start der zweiten Hälfte schnell federführend. Auch der FC Salzhaus versuchte mehr aus ihren Ballbesitzen zu machen und drang immer mehr in die Platzhälfte von Olympique vor. Ein Spitzenkampf der Extraklasse in der Kategorie B, wie es nicht einmal die Wettbüros hätten vorausahnen können. Chance um Chance vergeigten die Offensiven beider Teams. Hier ein verkorkster Schuss, dort eine Mondrakete. Joni traf das Spielgerät einmal Volley und sandte dieses weit über die Umzäunung. Nach dem Spiel gingen Anrufe aus der Innenstadt beim OW-Vorstand ein, welche den Ball anscheinend gesehen haben wollen. Die Örtlichkeiten reichten von Altstadt über Brüelberg bis nach Dättnau. Der Ball fehlt aber weiterhin im Materialsortiment. Wenn Sie also einen Hummelball in der Region Winterthur auffinden sollten, rufen Sie doch bei uns an.
Es wurde weiterhin gedrückt. Mit der Zeit ging die Energie und auch die Kreativität der Pässe aber immer mehr verloren. Die altbekannten 30-Meter-Pässe waren wieder an der Tagesordnung und man dreschte sich die Pille für ungefähr 30 Minuten abwechselnd hin und her, ohne wirklich etwas zählbares daraus zu erwirtschaften. Bonny auf der 9 nun vollkommen auf sich alleingestellt, rennt sich die Beine aus der Hüfte, das Mittelfeld mit 5% Lungenvolumen (alle drei zusammengezählt) kämpfte schlussendlich über 90 Minuten und die Abwehr versuchte mit ihren langen Bällen den Flügeln noch endgültig die Krämpfe in die Waden zu treiben. Unser Stutz wieder im Spiel wird aus der Mitte in die Tiefe geschickt. Er rennt, er legt sich den Ball vor, wird getroffen und geht zu Boden. Kein Elfmeter! Der blonde Ostschweizer bleibt aber liegen. Nicht schon wieder! In den vergangenen Saisons immer von Zerrungen geplagt, war dies eigentlich ein Start nach Mass. Nun musste er aber raus - "cha d'Schultere nid bewege". Unser KSW-Shuttle um den Assi Chäli trat erneut in Aktion und fuhr nach dem Sämel nun auch den Stutz zum Medikus in die Innenstadt. Nach dem Spiel aber Entwarnung: Nur eine Prellung, zum Glück!
Dann endlich der Befreiungsschlag. Längst überfällig war es wieder Rafford, welcher sich ein Herz fasste und den Ball aus der zweiten Reihe in die linke, untere Ecke hebelte. Verdient und mehr als dringend fällt der Ausgleich. OW neu motiviert und nun heiss auf den Sieg gab alles. Leider reichten weder die Zeit noch die Kräfte aus, um den Salzhäusern noch eins zu verpassen. Ein erbitterter Kampf endete beidseitig erfolglos und man trennte sich unentschieden zum Saisonstart.
An der Seitenlinie machte sich zum Teil Enttäuschung über ein nicht erfolgreiches Spiel breit, zum andern zischten die ersten Matchbiere. Ein Salzhäusriger hustete sich beinahe die Lunge aus dem Leib und Bonny war hässig, dass er nicht getüpft hatte. Jänu! Wir sind heiss auf den nächsten Ernstkampf vom 26.04.22 gegen die Neulinge aus Volken/Dorf.
Start um 19.30 Uhr auf Wallrüti.
Wir bedanken uns beim Schiri für die Pfiffe, beim Gegner für das faire Spiel und natürlich bei den angereisten Fans, welche uns lauthals über die gesamte Spieldauer anheizten. Den verletzten wünschen wir die beste Besserung und natürlich ein schnelles Comeback.
Allen voran gilt aber der Dank unseren Sponsoren, welche uns die Spielzeit überhaupt so spassig ermöglichen!
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